ISSN: 2171-6633
Estudios Franco-Alemanes 14 (2022), 145-156
MARTINO ALBA, Pilar; VEGA CERNUDA, Miguel Ángel (coords.), La Gran
Guerra en la literatura y las artes. Análisis de testimonios. OMMPRESS
TRADUCCIÓN, 2018. ISBN: 978-84-17387-25-9.
Es gibt wenige Publikationen, die sich mit dem Thema Literatur und
bildende Kunst im Kontext des Ersten Weltkriegs auseinandergesetzt haben.
So groß die historische Auseinandersetzung, die Beschäftigung mit dieser
ersten großen Katastrophe des 20. Jahrhunderts war, so wenig hat dieses
einschneidende Ereignis seinen Widerhall gefunden in der Aufarbeitung der
literarischen und generell künstlerischen Zeugnisse dieser Zeit. Im
deutschsprachigen Raum denkt man hierbei in erster Linie an Werke von
Karl Kraus und einige dem Expressionismus zuzuordnende Maler wie Otto
Dix und Max Beckmann, eine umfassende Darstellung lässt sich bisher
jedoch nicht finden. Diese Lücke füllt auf beeindruckende Weise der
Sammelband La Gran Guerra en la literatura y las artes: análisis de testimonios,
der 2018 bei OMMPRESS erschienen ist und den sechsten Band der Reihe
MHISTRAD Traducción bildet. MHISTRAD bezeichnet die damit
verbundene Forschungsgruppe Misión e Historia de la Traducción. Als
coordinadores des vorliegenden Bandes zeichnen Pilar Martino Alba und
Miguel Ángel Vega Cernuda. Er enthält zehn Beiträge, neun davon zur
Literatur, einen zum Thema bildende Kunst.
Im Eingangsartikel Ocho calas en la literatura de la Gran Guerra: de la
premonición al recuerdo unternimmt Miguel Ángel Vega Cernuda,
emeritierter Lehrstuhlinhaber der Universität Alicante, einen historischen
Streifzug und geht den Ursprüngen und Gründen des Ersten Weltkriegs
nach. Er beschreibt die sozialen Spannungen in den verschiedenen Regionen
Europas, im Besonderen auch die des monarchischen Vielvölkerstaats
Österrreich-Ungarn, die Kriegserklärung und die damit verbundene
Rechtfertigung ("An meine lker") nach dem Attentat von Sarajevo, die
anfängliche Kriegsbegeisterung, die Bildung der Allianzen Österreich-
Ungarn, Deutschland, Italien, Bulgarien, Türkei auf der einen Seite, die
Entente cordiale mit Frankreich, England, Russland, Serbien, Japan,
Rumänien, USA auf der anderen Seite und die Phasen des Krieges. Das
Ambiente dieser Tage wird in Karl Kraus' Drama Die letzten Tage der
Menschheit erfasst, das in vielen Szenen die Unmenschlichkeit und
Absurdität des Kriegsgeschehens zu ermessen versucht. Die Folgen des
Krieges, malum et pax, zeitigen den Niedergang der Monarchien Österreich-
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Ungarn, Deutschland, Russland und der Türkei und etwas später auch den
Aufstieg der Diktaturen von Hitler und Mussolini, verbunden mit der durch
den "Schwarzen Freitag" ausgelösten Weltwirtschaftskrise von 1929.
Nach Beschreibung der politischen und sozialen Situation unternimmt
der Autor eine Klassifizierung der "Kriegsliteratur" der Jahre 1914 1918.
Ausgehend von einer generischen Klassifizierung der literarischen Texte
Zeitschriftenartikel, Aphorismen, Lyrik, Theaterstücke werden drei sozio-
literarische Verhaltensweisen beschrieben: 1. Kriegsverherrlichung und
kriegerischer Aktivismus, exemplarisch der italienische Schriftsteller,
Journalist und Politiker Gabriele D'Annunzio; 2. stiller Pazifismus wie in
Franz Werfels Die 40 Tage des Musa Dagh; 3. kämpferischer Pazifismus.
Letzteres zu finden in Berta von Suttners Die Waffen nieder, Arthur
Schnitzlers Leutnant Gustl, Karl Kraus' Die letzten Tage der Menschheit, Joseph
Roths Kapuzinergruft, Erich Maria Remarques Im Westen nichts Neues oder
Georg Trakls Gedicht Grodek. Die Anzahl der Autoren, die sich mit welcher
Einstellung und Verhaltensweise auch immer in ihren Werken mit dem
Ersten Weltkrieg befasst haben, ist groß. Jeder von ihnen behandelte den
Krieg mit den Mitteln seines eigenen literarischen Ansatzes. Der
Expressionismus und etwas später die Neue Sachlichkeit boten noch
geeignetere Mittel, dem Thema neue Konturen zu verleihen. Die Autoren
dieser Epoche fungierten als Gewissen der Gesellschaft, ihre Beweggründe
reichten von Information über Verhinderung bis zur Anklage. Miguel Ángel
Vega bietet mit seinem Artikel einen hervorragenden politischen und sozio-
literarischen Einblick in diese bewegte Zeit.
Daniella Gambini widmet sich in ihrem Beitrag El intervencionismo de
Gabriel D'Annunzio: génesis y trayectoria einer schillernden, aber umstrittenen
Persönlichkeit der italienischen Literatur und Politik: Gabriele D'Annunzio.
Die kritische Auseinandersetzung mit ihm setzte erst mit dem Fall
faschistischer Regime nach dem Zweiten Weltkrieg ein, die Wurzeln seines
Denkens und Handelns liegen begründet in der Philosophie Nietzsches. So
ist sein Roman Le Vergini delle Rocce (dt. Die Jungfrauen vom Felsen) von 1895
stark beeinflusst von Nietzsches Ideen und seiner Konzeption des
Übermenschen. Die politische Einstellung D'Annunzios artikuliert sich in
einer Ablehnung der Demokratie und des aufkeimenden Sozialismus, einer
Befürwortung des Nationalismus und auch des Kolonialismus. Nicht
umsonst gilt er als Ideengeber für den italienischen Faschismus und als einer
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der Mentoren Benito Mussolinis, obwohl er nie Mitglied einer faschistischen
Partei gewesen ist. Er befürwortete Italiens Eintritt in den Ersten Weltkrieg,
der Krieg und seine Heroisierung spielen in Leben und Werk D'Annunzios
eine zentrale Rolle.
Bekannt geworden ist D'Annunzio auch durch eine militärische Aktion
nach Kriegsende. 1919 führte er eine Gruppe von Freischärlern sowie Teile
der regulären italienischen Armee bei der Besetzung der Adria-Stadt Fiume
(heute: Rijeka) an und unterlief damit das Waffenstillstandsabkommen und
die Pariser Friedensverhandlungen, nach denen Italien die zuvor zu
Österreich-Ungarn gehörende Stadt nicht hätte annektieren dürfen. Die
"Herrschaft in Fiume", mit D'Annunzio im Mittelpunkt, nahm dabei
wesentliche Elemente des Faschismus vorweg: die Fixierung auf einen
Führer, die Massenmobilisierung, die später bei den italienischen Faschisten
und den deutschen Nationalsozialisten wieder auftauchen sollten. Nach
einer militärischen Intervention durch die italienische Regierung sah er sich
gezwungen, die Stadt zu verlassen. Er bemühte sich, vom König den
Auftrag zur Bildung einer Regierung zu erhalten, Mussolini kam ihm aber
mit dem "Marsch auf Rom" zuvor.
Nach diesem Ereignis reduzierte D'Annunzio seine politischen
Aktivitäten und lebte bis zu seinem Tod in seiner Villa am Gardasee. Sein
literarisches Werk umfasst Romane, Dramen, Lyrik, sein Ästhetizismus
spiegelt sein romantisches Wesen und sein bewegtes Leben wider. In der
kollektiven (literarischen) Erinnerung lebt D'Annunzio als Schriftsteller der
Kriegsverherrlichung und des Faschismus fort.
Im Beitrag von Antonio Bueno García mit dem Titel Charles Péguy: el
frente está en todas partes geht es um einen Schriftsteller, der bereits im ersten
Kriegsjahr sein Leben lassen musste. Charles Péguy, der von 1873 1914
lebte und sich als Buchhändler betätigte, genoss eine katholische Erziehung,
war einige Jahre Mitglied der Sozialistischen Partei und veröffentlichte in
dieser Zeit unter einem Pseudonym sein erstes Drama Jeanne d'Arc. In der
Dreyfus-Affäre schloss er sich Émile Zola an, dessen Manifest J'accuse er
verteidigte.
Antonio Bueno García weist auf zwei Erfahrungen hin, die das Leben
dieses Autors geprägt haben, zugleich aber auch in einem Widerspruch
stehen: auf der einen Seite der Sozialismus, auf der anderen Seite die
Entdeckung des Glaubens, die religiöse Erfahrung.
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Die Erfahrungen mit dem Sozialismus erstreckten sich auf eine relativ
kurze Zeit, Péguys Mitgliedschaft in der Sozialistischen Partei währte nur
vier Jahre. Er veröffentlichte Artikel in der Zeitschrift Revue Socialiste, seine
Beiträge befassten sich mit den Themen Sozialreform und menschliche
Solidarität. Nachdem er sich im Vorfeld eines Nationalkongresses auf
kritische Weise mit der Parteilinie auseinandersetzte und sich auch von den
Anarchosyndikalisten der Confédération générale du travail abwandte, kam es
zum Bruch.
Auf beeindruckende Weise wird der Weg vom Sozialismus zum
wiederentdeckten Glauben beschrieben, der viele Widersprüche aufweist
und auch Kritik am politisch-sozialen Handeln der Kirche Raum lässt, durch
ihr Wohlwollen gegenüber dem kapitalistischen Bürgertum und der
Opposition zum Sozialismus. Zwei innovative Strömungen werden hier bei
Péguy zu einer Synthese: Menschenrechte und Heilige Schrift. Der
vorherrschende Laizismus wird kritisch gesehen, weil er nach Ansicht des
Autors die Ungerechtigkeit verstärkt. Die Überlegungen kreisen um soziale
Gerechtigkeit und Humanität, im Zentrum steht das Bild einer
"harmonischen Stadt".
Antonio Bueno García zählt Péguy zu den größten Denkern der
modernen Zeit und stellt die berechtigte Frage: Warum wurde sein Werk
nicht rascher rezipiert? In Frankreich finden seine Schriften in jüngster Zeit
die Aufmerksamkeit von Philosophen, Soziologen und Literaten. In Spanien
bleibt er weitgehend unbekannt (das trifft auch auf den deutschsprachigen
Raum zu). Dieser Artikel sollte dazu beitragen, diesen Umstand zu ändern.
Pilar Martino Alba widmet ihren Beitrag Las vivencias bélicas de un poeta:
Rainer Maria Rilke einem der bedeutendsten Dichter der literarischen
Moderne. Geboren und aufgewachsen in Prag, besuchte Rilke auf Wunsch
des Vaters eine Militärrealschule in St. Pölten (Niederösterreich) zur
Vorbereitung auf eine Offizierslaufbahn, die er nach einigen Jahren
krankheitsbedingt abbrach, eine Phase seines Lebens, die seine spätere
Aversion gegen Militär und Krieg erklärt. Zurück in Prag legte er die
Matura ab, studierte an der dortigen Karls-Universität Literatur,
Kunstgeschichte und Philosophie, später auch Rechtswissenschaft und
setzte seine Studien schließlich an der Ludwig-Maximilians-Universität
München fort.
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Pilar Martino Alba zeichnet klar das biographische und literarische Profil
von Rilke, das sie am Schluss ihres Beitrags auch in einer Zeittafel
veranschaulicht: die Jahre in Paris, seine zahlreichen Aufenthalte in Italien,
das Interesse an fremden Sprachen und Literaturen. So lernte er Italienisch
und Französisch, später auch Russisch, um Autoren im Original lesen zu
können. Interessant dabei der Bezug zu Spanien Rilke widmete sich auch
der Lektüre der Mystiker Santa Teresa de Jesús und San Juan de la Cruz.
Der Kriegseinsatz Rilkes währte zwei Jahre. Der Militärdienst,
empfunden auch als Wiederholung der Militärschulzeit, hinterließ bei ihm
traumatische Spuren, obgleich sich in seiner Literatur und seinen Briefen
wenige Hinweise finden. Es deutet einiges darauf hin, dass Rilke sich in
diesen Jahren in ein "inneres Exil" begab und die Befreiung im
Ästhetizismus suchte. So veröffentlichte er während des Krieges Gedichte in
zahlreichen Literaturzeitschriften. Zu den Hinweisen auf die politischen
Ereignisse und den Kriegsbeginn 1914 zitiert Pilar Martino Alba Auszüge
aus der Rilke-Chronik.
Dokumentiert ist Rilkes Beziehung zu bekannten Schriftstellern und
Künstlern seiner Zeit: Stefan Zweig, Hugo von Hofmannsthal, Franz Kafka,
Karl Kraus, Oskar Kokoschka. Trotz dieser Kontakte war Rilke nie Mitglied
eines Zirkels oder einer literarischen Gruppe. In den Jahren nach dem Krieg
entstanden auch seine wichtigsten Werke, die Duineser Elegien und der
Gedichtzyklus Sonette an Orpheus. Ein eigenes Genre seines Werkes bildet
Literatur in Form von Briefen: der Briefroman, der ein wichtiges Element in
Rilkes Schaffen darstellt.
Pilar Martino Alba gelingt es in ihrem Beitrag, Rilkes Stellenwert, seine
Persönlichkeit, seinen Erfolg, die Fundamente seiner wegweisenden
Dichtung beeindruckend darzulegen. Nicht zuletzt wurden seine Werke in
viele Sprachen übersetzt, sie waren auch eine Inspiration für zahlreiche
andere Schriftsteller.
Eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Zeit vor dem Ersten
Weltkrieg, eine Ikone der jüngeren österreichischen Geschichte, steht im
Mittelpunkt des Beitrags von Olga García: die Pazifistin und
Friedenforscherin Bertha von Suttner. Unter dem Titel Una mujer premio
Nobel advierte sobre los peligros de la Paz Armada wird das bewegte Leben
dieser Aktivistin und Schriftstellerin, die als erste Frau den
Friedensnobelpreis erhielt, nachgezeichnet. 1843 geboren und in einem
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aristokratischen, militärischen Ambiente erzogen, erlebte Bertha von Suttner
die zahlreichen Kriege, die das Habsburgerreich gegen Frankreich, Italien
und Preußen führte. Im Rahmen ihrer journalistischen Tätigkeit studierte sie
historische Quellen, Zeitungen, Berichte von Kriegsberichterstattern und
Militärärzten, die die Gräuel des Krieges dokumentierten, und verschrieb
sich dem Pazifismus, der ihr ganzes Leben prägen sollte. In ihrem Roman
Die Waffen nieder! beschrieb sie die Schrecken des Krieges aus der Sicht einer
Ehefrau, die Angst der Frauen, die ihre Männer und Söhne im Krieg
verloren hatten, und traf damit den Nerv der Gesellschaft, der schließlich in
einen Diskurs über den herrschenden Militarismus mündete. Mit diesem
Roman, so formuliert es Olga García trefflich, wird ein wichtiger Impuls
gesetzt und die Antikriegsliteratur der Weimarer Republik
vorweggenommen. Er führt Anklage gegen die herrschende militärische
Ideologie, den Heroismus, den nnlichkeitswahn und kritisiert die
Katholische Kirche, die diese Ideologie mitträgt und den Krieg unterstützt.
Mit Die Waffen nieder! wird Bertha von Suttner zur Anführerin der
Friedensbewegung. Olga García spannt den historischen Bogen und die
Folgen ihres Wirkens bis in die heutige Zeit. Einige Eckpfeiler seien hier
genannt: Gründung der österreichischen Friedensgesellschaft, unter deren
Mitgliedern sich auch Alfred Nobel befand, Aufbau eines Netzes von
Friedensaktivisten, Teilnahme an Friedenskonferenzen, Reise in die USA,
um in zahlreichen Vorträgen für ihr Projekt zu werben. Letzteres machte
deutlich, dass die Friedensbewegung in den USA schon wesentlich
fortgeschrittener war als in Europa. Nicht zuletzt wird in dem Beitrag von
Olga García auch betont, dass Bertha von Suttners Wirken das Fundament
für das Friedensprojekt Europäische Union geschaffen hat. 1906 wurde ihr
der Friedensnobelpreis verliehen, sie starb kurz vor Ausbruch des Ersten
Weltkriegs. Bis heute wird sie nicht nur als Friedensaktivistin, sondern auch
als Idol der Frauenbewegung gesehen.
Juan Antonio Albaladejo Martínez begibt sich auf die Spuren eines der
bedeutendsten Vertreter der Wiener Moderne. Sein Beitrag Un judío vienés
entre el patriotismo y el pacifismo: 'Y algún día volverá la paz' de Arthur Schnitzler
beschreibt auf wunderbare Weise die Einstellung Schnitzlers zu Militär und
Krieg. Mit gutem Grund wird gerade der Aufsatz "Und einmal wird der
Friede wiederkommen" als Beispiel genommen, geht es doch darum, der
Kritik nachzugehen, Schnitzler habe seine Haltung zum Ersten Weltkrieg
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nicht klar ausgedrückt. Der Aufsatz, in den Kriegsjahren zwischen 1914 und
1918 verfasst, wurde fragmentarisch nach seinem Tod veröffentlicht, findet
sich jedoch in seiner Gesamtheit erst 1967 in Band 5 der Gesamtausgabe
unter dem Titel "Aphorismen und Betrachtungen". Grandios ins Spanische
übersetzt wurde der Aufsatz von Miguel Ángel Vega.
Aus einer großbürgerlichen, jüdischen Familie stammend, absolvierte
Schnitzler ein Medizinstudium, erkannte aber zunehmend seine wahre
Berufung und betätigte sich ab 1901 nur noch als Schriftsteller. Die
Handlung seiner Werke spielt meist im Wien der Jahrhundertwende, die
handelnden Personen sind typische Gestalten der Wiener Gesellschaft. Wie
sein Zeitgenosse Sigmund Freud bricht er mit Tabus wie Sexualität und Tod,
beschreibt und analysiert eine Epoche des psychologischen Inneren, das
diese hervorbringt. Im Wien der Jahrhundertwende wird er mit
antisemitischen Strömungen konfrontiert, als Jude lehnt er jedoch die
zionistische Idee einer Rückkehr nach Israel ab und identifiziert sich mit
Österreich.
Juan Antonio Albaladejo fokussiert drei zentrale Themen im Aufsatz
Schnitzlers Patriotismus, Krieg und Frieden und zeichnet damit ein
klares Bild seiner Persönlichkeit. Die Themen "Patriotismus" und "Krieg"
erweisen sich für Juden als schmerzlich, weil einerseits eine Identifizierung
mit dem österreichischen Staat und dessen Gesellschaft stattfindet,
andererseits jedoch eine ablehnende Haltung durch Institutionen und Teile
der Bevölkerung gegeben ist. Schnitzlers Patriotismus ist ambivalent er
sieht wie viele seiner Landsleute in der ersten Phase des Krieges die Schuld
bei den Alliierten und entschuldigt das Handeln seines eigenen Landes. Er
weist Nationalismus zwar zurück, verteidigt aber sein Vaterland mit wenig
konsistenten Argumenten. Die anfängliche Unvermeidbarkeit des Krieges
weicht jedoch zusehends einer pazifistischen Einstellung, die den Weg weist
zum Thema "Frieden". In diesem Punkt ist Schnitzler seiner Zeit voraus: Er
spricht von einer Organisation, die die ganze Welt umfasst, nimmt somit
internationale, supranationale Vereinigungen vorweg, die sich mit dem
Völkerbund in den 1920er Jahren und nach dem Zweiten Weltkrieg mit den
Vereinten Nationen gebildet haben.
Schnitzlers Aufsatz offenbart das Bild einer Transformation, eines
Übergangs von stabilen zu weniger stabilen Formen, eines Kampfes mit
Vaterlandsgefühlen, die latent gegeben sind, aber auch mit deren
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Verirrungen. Schnitzler bleibt in Juan Antonio Albaladejos Betrachtung ein
Visionär, der durch seine Wandlung die Kriegsjahre und dessen Folgen in
einem anderen Licht erscheinen lassen.
Einer Sammlung von Artikeln zum Thema Pazifismus widmet sich der
siebente Beitrag mit dem Titel Romain Rolland o la sanción del pacifismo: 'Au-
dessus de la mêlée', verfasst von Fernando Navarro Domínguez. Der
behandelte Autor, Romain Rolland, 1915 Nobelpreisträger für Literatur,
studierte zunächst in Paris und erhielt einen Lehrstuhl für Geschichte. In
seiner Doktorarbeit befasste er sich mit der Geschichte der Oper in
Frankreich. Der Erste Weltkrieg überraschte Rolland in Genf. Bestürzt sah er
den Untergang Europas und beschloss, in der Schweiz zu bleiben, wo er
unzensiert publizieren konnte. Er engagierte sich beim Internationalen
Komitee vom Roten Kreuz, das sich um Kriegsgefangene und
Zivilgefangene und deren Zusammenführung mit ihren Familien kümmerte.
Als Literat bekannt wurde er vor allem mit dem Roman Jean Christophe,
seine pazifistische Einstellung schlägt sich in den Werken Clérambault und
Au-dessus de la mêlée nieder. In Letzterem, einer Artikelserie, die im Journal de
Gèneve zwischen 1914 und 1915 veröffentlicht wurde, kritisierte er die
Kriegführenden scharf und versuchte, auf Frankreich einzuwirken, wo man
ihn wegen seiner unpatriotischen Haltung als "inneren Feind" und
Vaterlandsverräter behandelte. Dabei waren es vor allem drei Themen, die
ihn zum Angriffsziel machten: die Ablehnung des Hasses gegen den
Nächsten, die Sympathie für Deutschland und die deutsche Kultur, die
Zurückweisung der Kritik vorwiegend von französischen Intellektuellen.
Stattdessen bot er Vorschläge, die vor allem die Humanität in den
Vordergrund rückten und das Vaterlandsgefühl in Frage stellten.
Wegen seiner Kritik an der Kriegspolitik beider Lager wurde Rolland zu
einer Symbolfigur der transnationalen Antikriegs- und der internationalen
Arbeiterbewegung während des Ersten Weltkriegs. Nach der
Machtergreifung der Bolschewiki in Russland sympathisierte er mit dem
Kommunismus und mit der 1920 gegründeten kommunistischen Partei
Frankreichs. Nach den Moskauer Schauprozessen von 1936 ging er jedoch
auf Distanz und brach schließlich mit der Sowjetunion.
Fernando Navarros Analyse ist überzeugend, seinem Resümee ohne
Einschränkung zuzustimmen: die Erinnerung an Romain Rolland, vor allem
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aus historisch-pazifistischer Perspektive, ist kaum vorhanden, sein
literarischer Stellenwert unzweifelhaft.
Der Antikriegsroman Im Westen nichts Neues steht im Zentrum des
Beitrags von David Pérez Blázquez, der vollständige Titel lautet: La Gran
Guerra en la literatura llevada al cine: a propósito de 'Sin novedad en el
frente', de Erich Maria Remarque. Der Roman Im Westen nichts Neues
erschien 1929 und zählt bis heute zu den Klassikern der Antikriegsliteratur.
Er schildert die Schrecken des Ersten Weltkriegs aus der Sicht eines jungen
Soldaten. Obwohl der Roman nicht als autobiographisch zu sehen ist, hat
Remarque seine eigenen Kriegserfahrungen darin verarbeitet. Er wurde 1916
zum Kriegsdienst eingezogen und diente an der Front bis Kriegsende. Im
Vorwort des Buches wird das Thema näher definiert: über eine Generation
zu berichten, die von der Schulbank weg in den Krieg geschickt wurde, die
vom Krieg zerstört wurde eine "verlorene Generation". Als
Antikriegsroman schlechthin wurde das Werk zum Feindbild der
Nationalsozialisten, während der nationalsozialistischen
Bücherverbrennungen 1933 wurden zahlreiche Exemplare von Im Westen
nichts Neues vernichtet.
David Pérez Blázquez beschreibt präzise das biographische und
bibliographische Profil von Remarque und stellt fest, dass er anders als Rilke
nicht in einem Elfenbeinturm verharrte, sondern offen Anklage gegen den
Krieg führte und dessen Absurdität darlegte. Von den Nationalsozialisten
verfolgt und schließlich ausgebürgert, lebte Remarque abwechselnd in der
Schweiz und in den USA. Sein künstlerisches Oeuvre umfasst zahlreiche
Prosawerke, bekannt auch Die Nacht von Lissabon, die ebenso wie Im Westen
nichts Neues verfilmt wurde und ein deutsches Emigrantenschicksal
während der Zeit des Nationalsozialismus schildert.
David Pérez Blázquez stellt auch mit gutem Grund die Verfilmung von
Remarque in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Gerade sie verhalfen
zum durchschlagenden Erfolg und machten das Werk weltweit bekannt.
Anders als viele andere emigrierte Schriftsteller genoss er in den USA hohe
Anerkennung, was unter anderem darauf zurückzuführen war, dass seine
Werke zum Teil auf Englisch erschienen. Auch die erste Verfilmung von
1930 mit dem Titel All Quiet on the Western Front, basierend auf dem Roman
Im Westen nichts Neues, fand in den USA statt. Weitere deutsche
Verfilmungen folgten. Die Rezeption seiner Prosa im deutschsprachigen
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Raum erfolgte mit einiger Verzögerung, sein kämpferischer Pazifismus, wie
er sich in seinen Werken offenbart, findet bis heute große Verbreitung und
Wertschätzung.
In ihrem Beitrag Un poeta ante la guerra: Saint-Exupéry lässt María Cruz
Alonso Sutil das turbulente Leben und das künstlerischen Schaffen dieses
bekannten französischen Schriftstellers Revue passieren. Saint-Exupéry,
schon zu Lebzeiten ein anerkannter und erfolgreicher Autor, wurde ein
Kultautor der Nachkriegsjahrzehnte, obwohl er sich selbst eher als einen nur
nebenher schriftstellernden Berufspiloten sah. Seine Kindheit verbrachte er
als Sohn aristokratischer Eltern auf Landgütern in Südfrankreich, die
Gymnasialjahre in katholischen Internaten, zuerst bei Jesuiten, später bei
Marianisten in der Schweiz, was sich als wichtig erweisen sollte für seine
weitere Entwicklung als Schriftsteller. Nach dem Abitur studierte er
Architektur, erwarb jedoch nie einen Abschluss. Die Passion Fliegen er
absolvierte eine Pilotenausbildung begleitete ihn sein Leben lang, daneben
begann er zu schreiben, seine zweite Passion. Der frühe, schmerzhafte
Verlust seines Bruders bildete dabei den Anstoß für sein Schreiben.
María Cruz Alonso Sutil beschreibt detailliert die zahlreichen
fliegerischen Abenteuer in den 1930er Jahren, das Engagement im
Spanischen Bürgerkrieg auf republikanischer Seite, bis hin zum Zweiten
Weltkrieg und der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen, die Exupéry
zu einem Aufenthalt in den USA veranlasste. Zurück in Europa wurde er
Luftwaffenpilot, im Juli 1944 startete er zu einem Aufklärungsflug, von dem
er nicht mehr zurückkehrte. Die näheren Umstände seines Todes konnten
nie restlos geklärt werden.
Was lässt sich in der Rückschau über seine Einstellung zum Krieg, über
sein Werk sagen. Seine Kriegserlebnisse finden sich in Pilote de guerre (dt.
Flug nach Arras). Sein bekanntestes Werk, Le petit prince (dt. Der kleine Prinz),
ist eine märchenhafte Erzählung um einen in der Wüste notgelandeten
Flieger, der dort auf einen kleinen Jungen trifft, den es von einem
Asteroiden auf die Erde verschlagen hat. Der reale und surreale Elemente
mischende Text, der den Menschen als fragiles, vergängliches Wesen
konzipiert, liest sich wie eine Geschichte für Kinder, trägt philosophische
Züge, offenbart auch das, was Exupéry in der Literatur zu beschreiben
versuchte seinen Platz im Universum, einen Platz der Ruhe, des Friedens,
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einen Platz für seine Träume und schließlich auch einen Ort für sein
persönliches Exil, wie María Cruz Alons Sutil dies passend formuliert.
Den Abschluss des Bandes bildet der Beitrag La Gran Guerra en las artes:
los pintores ante el conflicto bélico von Pilar Martino Alba. Er bietet einen
repräsentativen Querschnitt durch die Malerei der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts, mit den Protagonisten, die sich mit dem Thema Krieg
auseinandergesetzt haben. Darunter viele Deutsche, die zum Teil der
Stilrichtung des Expressionismus zuzuordnen sind (Franz Marc, Otto Dix,
Georg Grosz, Ernst Ludwig Kirchner, Max Beckmann, Oskar Kokoschka,
Josef Engelhart, Ludwig Meidner, Käthe Kollwitz), aber auch Vertreter aus
anderen Ländern (Umberto Boccioni, George Braque, Lyonel Feininger, John
Singer Sargent), in deren Werk der Krieg eine wichtige Rolle spielt, sei es,
dass sie als Soldaten daran teilgenommen haben oder als zeichnerische
Berichterstatter an die Front geschickt wurden, um die Ereignisse und den
Alltag der Soldaten festzuhalten.
Der Beitrag behandelt folgende Aspekte: die bildliche Berichterstattung
der "Kriegsmaler" vom Beginn bis zum Ende des Krieges (Josef Engelharts
Kriegstagebücher mit den Schilderungen der mpfe in Galizien und am
Isonzo); die Vorahnung und das Kriegserlebnis (Ludwig Meidner mit seinen
sozialkritischen Bildthemen als Maler der "Neuen Sachlichkeit"); der Krieg
in Relation zu vorhergehenden Konflikten; die Folgen des Krieges in der
Kunst, die Bedeutung von Kunsthändlern und Kunstsammlern (Cornelius
Gurlitt, Paul Cassirer); die expressionistische Wahrnehmung des Krieges
(Franz Marc, Otto Dix); das Selbstbildnis im Kontext Krieg (Max Beckmann,
Ernst Ludwig Kirchner); das tägliche Leben an der Front (John Singer
Sargent); die kritische Zukunftsvision und der bissige Humor (Georg Grosz).
Das alles vermittelt ein Panorama der Auswüchse, Abscheulichkeiten,
Absurditäten, des menschlichen Leids dieser unheilvollen Zeit,
dokumentiert aber auch den Impuls und die Entstehung künstlerischer
Ausdrucksformen, die bis heute nachwirken.
Resümierend lässt sich zu La Gran Guerra en la literatura y las artes
Folgendes sagen: Der Band bietet einen hervorragenden Einblick in die
unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs, den politischen und sozialen
Verwerfungen dieser Zeit entstandene Literatur und Kunst. Er geht den
Gründen des Krieges nach, spannt einen Bogen von der Belle Époque bis zu
den frühen 1940er Jahren, begibt sich auf die Spuren herausragender
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Schriftsteller und Maler. Die Ereignisse dieser Zeit werden wieder ans
Tageslicht gebracht, Biographien nicht bloß als Abfolge von Daten, sondern
als Entwicklungen erfahrbar gemacht, literarische Werke in ihrer gesamten
Tragweite und Wirkung als Zeugnisse analysiert. Krieg und Kunst mögen
auf den ersten Blick nicht zueinander passen. Mit der Lektüre dieses Bandes
eröffnet sich ein neuer Horizont, der dieses gegensätzliche Paar in einem
anderen Licht erscheinen lässt.
[Peter Holzer]